Prävention mentaler Überlastung – Vorsorge statt Nachsorge Teil 1
Warum Prävention immer wichtiger wird
Mit diesen Worten macht das BMG die hohe Bedeutung deutlich, die es der gesundheitlichen Prävention zumisst. Prävention ist dabei ein Konzept, das nicht nur zur Gesundheitsfrage, sondern insgesamt wunderbar in eine Zeit passt, in der Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt. Wenn uns die Konsequenzen von endlichen Ressourcen wirklich bewusstwerden, dann verstehen wir auch, dass es besser ist vorzusorgen, vorzubeugen bzw. Zustände oder Ereignisse zu verhüten, die unser Wohlbefinden oder das des Planeten langfristig negativ beeinflussen.
Dieser Blogbeitrag ist der erste einer Triologie, die sich mit Fragen zur Prävention beschäftigen.
Prävention lässt sich in verhaltensorientierte und verhältnisorientierte Ansätze unterscheiden. Erstere setzen beim Verhalten des Einzelnen an und beinhalten zum Beispiel die Vermittlung von Entspannungs-Techniken, um Stressreaktionen zu reduzieren. Verhältnisorientierte Ansätze gestalten die Verhältnisse, in denen Menschen leben und arbeiten, z.B. indem Zeiten der Erreichbarkeit und der Nicht-Erreichbarkeit vereinbart werden. Beide Präventionsansätze sind wichtig: Während verhältnisorientierte Ansätze die größere Reichweite aufweisen, hängt ihre Wirksamkeit im Allgemeinen davon ab, dass der oder die Einzelne auch beteiligt ist und Selbstverantwortung übernimmt, präventive Maßnahmen ernst- und anzunehmen.
Eine bedeutende gesetzliche Regelung zur Prävention im Arbeitskontext ist das Arbeitsschutzgesetz. Es schreibt unter anderem explizit vor, dass Unternehmen zur Prävention von Krankheit und Unfällen Gefährdungsbeurteilungen (GBU) durchzuführen haben. Dass dazu auch psychische Gefährdungen zählen, war zwar immer intendiert, wurde aber erst Ende 2013 explizit ins Gesetz aufgenommen. Seitdem ist die GBU Psyche einer der wichtigsten Bausteine bei der Prävention mentaler Überlastung in Unternehmen. Als Status-quo-Analyse stellt sie den „Check“-Teil eines PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) dar. Ihre Ergebnisse dienen der Entwicklung von Maßnahmen und durch sie wird im nächsten Zyklus die Wirksamkeit ebendieser Maßnahmen geprüft.
Wie wichtig diese Maßnahmen und Angebote sind, zeigt ein Blick auf die hohe Zahl von psychischen Erkrankungen. Sie sind enorm belastend: individuell, sozial und auch ökonomisch – für die Betriebswirtschaft wie auch für unsere gesamte Volkswirtschaft.
Man sollte also denken, dass alle ein großes Interesse daran hätten, mentaler Überlastung vorzubeugen. Trotzdem gelingt es uns offenbar nur unzureichend. Der Blick auf die Zahlen zeigt leider: Sie sinken nicht, sondern steigen stetig weiter! Was ist also zu tun?
Ich möchte heute dazu einladen, den Blick etwas mehr auf die individuelle Verhaltensprävention zu richten und damit auf die Möglichkeiten, die in unserem Einflussbereich liegen. Damit möchte ich in keiner Weise den Blick von der Verhältnisprävention nehmen. Mir ist klar, dass die Verhältnisse in vielen Unternehmen nicht optimal gestaltet sind und Ergebnisse von GBUen teilweise nicht oder nur ungenügend umgesetzt werden. Das befindet sich aber in diesem Moment nicht in unserer Hand. Viel wichtiger ist mir, dass wir dennoch nicht machtlos sind. Wir haben jeden Tag die Möglichkeit, etwas für unser mentales Wohlbefinden zu tun.
Vielleicht geben die folgenden Fragen dazu einen hilfreichen Impuls.
- Angenommen, Sie bekommen jeden Tag 1440,-€ geschenkt und Sie müssten diese auch ausgeben, weil Sie davon nichts sparen könnten.
Wie würden Sie dieses Geschenk investieren? - Wie viel Zeit verbringen Sie am Tag achtsam, also aufmerksam für Ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse?
- Wie oft gönnen Sie sich Zeit für Ihre Wünsche und Bedürfnisse?
- Welche Wege kennen Sie, um spontan oder langfristig für Ausgleich zu sorgen?
- Wie viele Ihrer täglichen 1.440 Minuten investieren Sie in Ihre psychische Gesundheit?
Wenn die Antwort bei der Mehrzahl dieser Fragen sehr klein ausfällt, sollten Sie etwas ändern. Und selbst wenn Sie großem Druck ausgesetzt sind, so ist es doch meist nicht völlig unmöglich, wenigstens kurze Zeiten der Aufmerksamkeit und Reflexion für sich selbst zu finden.
Ich habe in den bisher 12 Jahren meiner Mission zur positiven Beeinflussung von Risikobewusstsein und dem Bewerben eines Präventions-Mindsets folgende Erkenntnisse gewonnen:
- Vielen Menschen ist ihre Gesundheit sehr wichtig, aber im alltäglichen Handeln spiegelt es sich oft nicht wider.
- Das liegt nicht selten daran, dass „sich erholen“ und „entspannen“ teilweise als faul und unproduktiv sein empfunden wird. Dabei gehören die Ruhephasen nicht nur für Sportler:innen zu Entwicklungs- und Wachstumsprozessen dazu.
- Selbstfürsorge ist im Besonderen für das psychische Wohlbefinden wichtig und wird leider oft vernachlässigt – bis die psychosomatischen „Alarmgeber des Körpers“ unüberhörbar werden.
- Organisationen fällt es oft schwer, solche weichen Themen zu greifen und zu regeln. Daher wird eher oberflächlich gearbeitet, als sich den systemischen Ursachen zuzuwenden.
In meiner Wahrnehmung liegt es unter anderem am Diktat der Dringlichkeit. Wir mühen uns mit unwichtigen Themen ab, weil sie als dringend an uns herangetragen werden, anstatt die Dringlichkeit zu hinterfragen und auch mal „Nein“ zu sagen (oder ggf. diese C-Prioritäten nach Eisenhower zu delegieren, wenn wir dazu die Möglichkeit haben).
Einen weiteren Grund sehe ich in stressverstärkenden Erwartungshaltungen. Stress, z.B. in Form von Zeit-/ oder Qualitätsdruck, wird von verschiedenen Personen in derselben Situation sehr unterschiedlich wahrgenommen. Das liegt unter anderem an individuellen Bewertungsmustern aufgrund wahrgenommener Erwartungen (von mir selbst, von meinem Umfeld oder der Gesellschaft). Sie dienen häufig als Entschuldigung, warum ich mir nicht selbstfürsorgend die Pause nehme oder die unliebsame Verpflichtung am Wochenende absage – obwohl ich das durchaus könnte oder sogar von meiner Führungskraft dazu aufgefordert werde.
Es wird also Zeit, dass wir jetzt Ressourcen (Geld, Zeit) investieren, um (selbst-)verantwortlich vorzusorgen. Dabei meine ich beide Präventionsansätze, den individuellen verhaltensorientierten und den systemischen verhältnisorientierten. Ich kann mein Verhalten nur dann ändern, wenn meine Organisation Rahmenbedingungen schafft, in denen u.a. das Diktat der Dringlichkeit nicht so stark ausgeprägt ist, in denen eine förderliche Fehlerkultur spürbar ist und transparent Erwartungen besprochen werden. Fehlerkultur und transparente Erwartungen können wiederum nur wirken, wenn ich selbst daran glaube und den mir gewährten Freiraum auch in Anspruch nehme.
Vielleicht erinnern Sie sich das nächste Mal daran, wenn jemand mit Ihnen über Prävention sprechen möchte und Ihnen „Ich weiß, es ist eigentlich wichtig, aber grad gibt es dringenderes zu tun“ auf der Zunge liegt. Wenn Sie dann kurz innehalten und es doch nicht aussprechen, sondern sich etwas Zeit für Prävention nehmen – Ich würde mich sehr darüber freuen!
Wenn Sie das Thema Prävention interessiert, Sie gern etwas in Ihre persönliche oder organisationale Fitness investieren möchten bzw. Fragen oder Anmerkungen haben, freue ich mich über Ihre Rückmeldung und Ihre Kontaktaufnahme.
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